Ankunft
Da ist ein Tier in mir,
das will die Zähne in Dein Fleisch
schlagen, Dich verschlingen, sich an Deiner Liebe laben.
Das treibt mich zu Dir, will auch mich
beherrschen, Besitz ergreifen, meinen Tag einnehmen,
das Leben rauben, mich die Sonne
vergessen lassen, den Mond anheulen und Bäume ausreissen.
Da ist eine Frau in mir,
die will Deine Lippen spüren, Deine
Hitze wecken, mit Dir verschmelzen.
Die will Dich kontrollieren, mit Dir
spielen, mit Dir zusammen Trauer spüren.
Die will Dich verführen, mich und Dich
versuchen und Dich besitzen.
Da ist eine Richterin in mir,
die will Recht über Dich haben, Dir
Vorschriften machen und Regeln aufstellen,
die will Dich bewerten, beurteilen und
bestrafen.
Die will Dich willenlos machen, Dir
Deinen Stolz nehmen und Dich großzügig begnadigen.
Da ist ein Kind in mir,
das will mit Dir toben, will Dich jagen
und groben Unfug treiben.
Das will mit Dir Pferde stehlen, in die
Nacht ausreissen, die ganze Welt bereisen.
Es will sich an Dich kuscheln, Deine
Haut nachschmecken, mit Dir lachen bis die Bäuche platzen.
Da ist eine Mutter in mir,
die will Dich verehren, auf den Sockel
stellen, Dir die Füße küssen, Dir die Tränen trocknen.
Die will Dich verwöhnen und umsorgen,
warm ins Bettchen stecken, Deine Haare streicheln,
Dir die Sonne zeigen, will Dich in den
Armen wiegen und auf dem Rücken tragen.
Dann bist Du da.
Das aufmerksame Strahlen Deiner Augen,
die stille Freude Deiner Seele,
das ruhige Pulsieren Deiner Liebe,
die wiegen das Tier in einen
friedlichen Schlaf,
sie lassen die Frau heilen,
sie stimmen die Richterin milde,
lassen das Kind still staunen,
machen die Mutter sorglos stumm.
Und ich, ich lass Dich endlich frei.
(KK 2012)
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