Dienstag, 5. Juli 2016

Und wer bist Du?




Und wer bist Du?

Sooft ich auch in den Spiegel schau
ich sehe jedes Mal eine andere Frau:
die Junge, die Alte, die kleine Dicke, die lange Elegante,
die Gekämmte, die Braune, die Tätowierte, sportlich Frisierte,
die Verwirrte, Missbrauchte, Kluge, Erlauchte,
die gewaschen Gezupfte, gefärbt und geschminkte,
die Hausfrau und Mutter, die Strenge und Dünne,
die Weise und Stille die Laute und Schrille.
Sie alle kenne ich gut und weiß ihre Namen,
sind leicht zu merken und trotzdem egal,
ich nenne sie Kathrin ein jedes Mal.


(KK 2016)


Montag, 4. Juli 2016

Leichtsinn




Leichtsinn


An jenem Tag, machte ich die Fenster weit auf:
frischer Wind sollte hinein ins Haus.
Den Frühlingsduft von Rosen wollte ich wieder mal riechen,
der Luftzug sollte in die entlegensten Winkel kriechen.
Lustige Muster sollten junge Sonnenstrahlen werfen,
auf meinen alten Holzboden, den grauen, zerfurchten.
Meine kalten Hände wollte ich wärmen,
und mit den Fingern mein langes Haar durchkämmen.

Du kamst durch die Tür herein, und das Licht ging kurz aus.
Ein Luftzug zog durch das ganze Haus,
Du brachtest argentinischen Wein
und schenktest uns beiden reichlich ein.
Doch ich stand geblendet, reglos, barfuß und nackt.
und bin erst Tage später erwacht.
Sah den Staub, den Du aufgewirbelt, den Sprung im Fensterglas,
den der Wind gemacht, als Du eilig die Tür geschlossen hast.

Es war längst dunkel und Nacht, als ich die Fenster schloss,
kein Lüftchen sich regte, und ich das Mondlicht genoss.
Als ich die beschriebenen Blätter zusammensuchte,
meinen kindlichen Leichtsinn verfluchte,
die verstaubte Schreibtischlampe zurechtrückte
und mit Entschlossenheit den Füller zückte.
Als Du längst schon woanders warst,
Du, meine Liebe.

(KK 2016)